Die Lage! Die Lage. Die Lage? Nun ja, die alte Immobilienweisheit bildet in der Weinbranche nur die halbe Wahrheit ab. Schließlich bestimmt nicht immer die Herkunftsangabe auf dem Etikett den Kultstatus eines Weins, wie Penfolds Grange, Vega Sicilia Único oder Riesling G-Max demonstrieren. Eigentlich auch plausibel, dass die Weinerzeuger hinter den Gewächsen einen erheblicheren Anteil an deren Erfolg tragen. Wer eine Spitzenlage besitzt, produziert eben nicht automatisch einen Spitzenwein. Dennoch gibt es sie, Rebflächen, die über jeden Zweifel erhaben sind und unumstritten das Potenzial für große Gewächse bieten …
Er ist gefragt, kostspielig und weltweit bekannt. Ja, der Bernkasteler Doctor zählt zu den renommiertesten Weinlagen der Welt. Was ihn so einzigartig macht, ist nicht nur seine Beschaffenheit: „Hier entstehen Weine, die über Jahrhunderte in jeder Epoche großen Anklang fanden“, erklärt Tom Drieseberg von den Weingütern Wegeler, die mit 1,12 Hektar größter Eigentümer dieser Lage sind. Bekannt ist vielen wahrscheinlich die Sage, der zufolge der erkrankte Trierer Erzbischof Boemund II. durch den guten Tropfen geheilt worden sein soll, und die sich somit seinen Namen als „Doctor“ verdient machte. Doch auch bei historisch belegten Ereignissen war der Moselwein präsent. „Reist man 200 Jahre durch die Weltgeschichte, taucht der Doctor immer wieder auf“, bestätigt Tom Drieseberg. Sei es in den Gläsern von Otto von Bismarck, Kaiser Wilhelm II., Eisenhower, Konrad
Adenauer – unbestritten dabei: seine hohe Qualität und sein Status, zum Besten zu zählen, was das Land hergibt. Und auch heute heimsen die Rieslinge bei Kritikern rund um den Globus die höchsten Punktzahlen ein. Bemerkenswert ist so auch der Erfolg des Mosel-Winzers Markus Molitor, der mit seinem 2016er Bernkasteler Doctor Riesling Auslese*** als erster trockener deutscher Riesling überhaupt vom Wine Advocate mit 100 Punkten bewertet wurde. So wie die Weine hebt sich auch der nach Süd-Südwest ausgerichtete Hang mit einer Neigung von circa 65 Prozent von den Rebflächen drumherum ab – und das ist in manchen Jahren so offensichtlich wie die Reklame am Piccadilly Circus. „Vor allem 2003, 2018, 2019 – also in Jahren mit großem Wassermangel – konnten wir sehen, dass viele Reben in der Umgebung schon gelbe Blätter hatten, der Doctor aber noch grün war. Im Winter, wenn etwas Schnee liegen bleibt, sieht man wiederum, dass der Doctor die Schneefallgrenze durchbricht, also die Böden der Weinberge nebenan weiß sind, während sich der Doctor braun beziehungsweise grün zeigt“, klärt Drieseberg auf. Die gute Wasserversorgung und die große Wärmeeinstrahlung sind aber sicherlich nur zwei der Erfolgsgeheimnisse der insgesamt 3,26 Hektar großen Lage. Hinzu kommt, dass auf dem Boden, der von Devon Tonschieferverwitterung geprägt ist, viele wurzelechte Reben stehen, die teils über 100 Jahre alt sind. Unbestritten ist neben dem historischen und qualitativen auch der monetäre Wert des Weinbergs. 1900 erwarb Geheimrat Julius Wegeler 4 300 Quadratmeter für 100 Goldmark pro Rebstock – die teuerste Weinbergstransaktion Deutschlands. Und auch heute wird bei der Pachtung der Fläche nicht nur ein stolzer Preis bezahlt, allein schon ein Stück Land zu ergattern ähnelt einem Glücksfall. Neben den Weingütern Wegeler, Dr. H. Thanisch, Erben Müller-Burggraef KG, Wwe. Dr. H. Thanisch Erben Thanisch und Patrick Lauerburg besitzt auch die Heilig-Geist-Stiftung Bernkastel 0,26 Hektar, die sie alle neun Jahre mittels einer Auktion verpachtet – zurzeit an Markus Molitor und Thomas Haag. Nach Ende der Pachtzeit ist aber noch längst nicht aller Tage Abend, denn die Erzeugnisse sind unglaublich langlebig. Das weiß auch Tom Drieseberg: „Hier entstehen Weine, die 100 Jahre oder länger haltbar sind – und immer noch höchsten Genuss bieten.“
So manch ein Skandal kann helfen, um auf der Bekanntheitsskala einige Stufen höher zu klettern. Andere schaffen es gar, eine Revolution anzuzetteln. Als die Marchesi Antinori mit ihrer Einzellage Tignanello neue Wege einschlugen, war allerdings nicht klar, dass dem Aufschrei ein Umdenken folgen sollte. Der 1970er Jahrgang „Chianti Classico Riserva vigneto Tignanello“ unterschied sich enorm von den Standards, nicht nur, weil er im Barrique ausgebaut wurde, sondern auch, weil er neben Sangiovese und traditionellen weißen Rebsorten auch Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc in sich vereinte – höchst skandalös. Auch im Folgejahr erfüllte der unter dem Namen Tignanello geführte Wein nicht die Vorschriften der DOCG, sodass ihm die Herkunftsbezeichnung verwehrt wurde und er als „Vino da Tavola Toscana“ auf den Markt kam. Neben weiteren toskanischen Rotweinen, die zur gleichen Zeit auf andere Rebsorten und Ausbaustilistiken setzten, prägte auch Tignanello die sogenannten Super Tuscans. Diese lösten mit ihrem neuen Geschmacksprofil rund um den Globus einen regelrechten Hype, vor allem in den USA, aus. Piero Antinori und sein Oenologe Giacomo Tachis entwickelten den Tignanello ständig weiter. Seit 1975 werden keine weißen Rebsorten mehr für seine Herstellung verwendet und seit 1982 das gleiche Verhältnis von Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc verwendet. Von Beginn an gab es aber trotz aller Änderungen eine Konstante: die Einzellage, der er entspringt. Zwar umfasst die Tenuta Tignanello 127 Hektar Rebfläche, die Trauben für den Kultwein stammen aber jeher vom gleichnamigen, 57 Hektar umfassenden Weinberg Tignanello. Mit seinen felsigen, kalkhaltigen Böden mit Alberese- und Galestrogestein ist er ein echtes Juwel. Auf 350 beziehungsweise 400 Metern Höhe gelegen und mit seiner südwestlichen Ausrichtung herrschen hier ideale Bedingungen, um große Weine zu erzeugen.
Stopp, bitte einmal Richtung Süden abbiegen! Denn auch, wenn die meisten bei prestigeträchtigen Weinen aus dem Golden State gedanklich gleich ins Napa Valley abschweifen, so geht es für eine der berühmtesten Lagen des Landes doch an die Central Coast – genauer gesagt in die Region Santa Cruz Mountains. Nur wenige Kilometer von der Küste entfernt liegt nämlich ein ganz besonderer Weinberg. „Die Nähe zum Pazifischen Ozean sowie eine Höhe von 600 bis 800 Meter sorgen für ein kühles Klima – dies ermöglicht eine langsame Reifung und bewahrt die Säure. Zudem sind die Kalksteinböden am Monte Bello in Kalifornien selten und verleihen den Weinen Mineralität“, bringt es John Olney, Head Winemaker von Ridge Vineyards auf den Punkt. Auf dem vorwiegend nach Ost/Südost ausgerichteten Berg mit Hängen mit einem Gefälle von 10 bis zu 30 Prozent und Reben, die bis zu 72 Jahre alt sind, entsteht hier der legendäre Rotwein. So viel also zu den Key-Facts. Die rund 62 000 Flaschen, die jährlich erzeugt werden, sind bei Weinkennern so begehrt wie italienische Pasta in der Corona-Pandemie. 60 Hektar ist der gesamte Weinberg groß, doch für den Kultwein werden nur Trauben aus den besten Parzellen benutzt – das entspricht in etwa einem Drittel. „Aus Torre und Perrone kommen viele unserer besten Mengen für den Monte Bello“, fügt Olney hinzu. Die Namen der Parzellen nehmen Bezug auf die Wurzeln des heutigen Ridge Monte Bello Estate: So pflanzte 1885 zunächst Dr. Osea Perrone Reben nahe der Spitze am Monte Bello. 1890 tat es ihm John Torre gleich und kaufte ebenfalls Land am Monte Bello, welches er mit Reben bestückte. Ein weiterer Meilenstein der heutigen Renommierlage geht auf das Jahr 1949 zurück, als Dr. William Short nach der Prohibition den Torre-Weinberg erstmals mit Cabernet Sauvignon bepflanzte. 1962 vereinigten vier Ingenieure des Stanford Research Institute, darunter Dave Bennion, den Monte Bello mit der Gründung des Weinguts Ridge Vineyards. Nachdem zunächst Bennion mit dem Ausbau der Weine experimentiert hatte, übernahm Paul Draper 1969 die Rolle des Winemakers. Wenige Jahre später, 1976, feierte der Monte Bello seinen ersten Erfolg beim Judgement of Paris. Bei der legendären Blindverkostung kalifornischer Weine gegen französische Spitzengewächse nahm der 1971er Monte Bello den fünften Platz ein. Und an diesem Erfolg hat sich seitdem kaum etwas geändert. Bis heute ist die deutlich vom Cabernet Sauvignon geprägte Cuvée aus Merlot, Petit Verdot und Cabernet Franc eine echte Stilikone und brüstet sich Jahr für Jahr mit Höchstbewertungen. So auch im Jahr 2006, zur wiederholten Auflage des Judgement of Paris mit den Originalweinen, bei der der 1971er Monte Bello sogar den ersten Platz belegte. Im gleichen Zuge wurden aktuellere Jahrgänge kalifornischer Rotund Weißweine verkostet und auch hier landete der 2000er Ridge Monte Bello unter den Cabernets auf dem ersten Platz.
Die Grenzen sind klar. Welche Parzellen nun zur prestigeträchtigen Lage gehören wird deutlich, sobald man vor dem Grand-Cru-Weinberg steht. Eine Mauer umringt die 7,99 Hektar große Lage und sorgt für Klarheit. Dennoch kann es zur Verwirrung kommen – liest man doch, egal in welche Richtung man blickt, das Wörtchen Montrachet. Das liegt daran, dass umliegende Parzellen den klangvollen Namen ebenfalls tragen wie zum Beispiel Bâtard-Montrachet oder Chevalier-Montrachet. Und auch die zwei Gemeinden, auf die sich die Lage ungefähr halb und halb aufteilt, brüsten sich mit dem Namen. Während in Chassagne-Montrachet, die Rede von Le Montrachet ist, wird sie in Puligny-Montrachet ohne Artikel bezeichnet. Aber egal, ob mit oder ohne – in beiden Ortschaften sind die Reben begehrt, die Preise pro Quadratmeter entsprechend hoch. 2012 zahlte François Pinault über eine Million Euro, um eine Ouvrée, also 428 Quadratmeter, sein Eigen nennen zu können. Seit jeher umgibt Montrachet etwas Magisches. Bereits der Schriftsteller Alexandre Dumas betonte, dass man diesem Wein Ehre erweisen müsse und ihn „auf Knien, das Haupt entblößt“ trinken solle. Auch heute ziehen Weinkritiker vor diesen Chardonnays ihre Hüte. Der Anblick des nach Südost ausgerichteten Weinbergs ist hingegen recht spektakulär. Nicht umsonst erhielt er im Mittelalter seinen Namen „Mont Rachet“, was so viel wie karge Bergkuppe bedeutet. Karg wirkt auch der Boden, der von weißen Kalksteinen übersät ist. Nur circa 50 000 Flaschen werden diesem Terroir jährlich abgewonnen. Unter insgesamt 18 Eigentümern ist die Lage aufgeteilt. Der bekannteste Besitzer unter ihnen ist wohl die Domaine de la Romanée-Conti. 1963 erwarb sie 34,1 Ar im Ortsteil Chassagne-Montrachet. Zwei weitere Käufe folgten, sodass heute 67,6 Ar in ihrem Besitz sind. Und daran wird sich in naher Zukunft vermutlich auch nichts ändern.
In order to qualify for user related discounts, you must log in before proceeding with checkout. Click the button below to log in and receive these benefits, or close the window to continue.
Log In